Reisebericht des Waidgenossen Professor Dr. Dieter Rost
"Auf grüner Nachsuche" Teil 3 (11.10.-18.10.2017)
erschienen im Mitteilungsblatt des Landesjadgverbandes Sachsen "Wir Jäger in Sachsen".

 

Hier der Text zum lesen :

"Auf grüner Nachsuche - Teil 3"

Acht Jäger und Naturfreunde machten sich unter sachkundiger Führung von Jäger und Jagdausstatter Roland Bogan im Herbst 2017 erneut nach Ostpreußen auf den Weg: Unter ihnen die ehemaligen langjährigen Präsidiumsmitglieder des LJVSN Heiko Schoene, Oberstaatsanwalt i. R., heute wieder in Stuttgart lebend, aber Sachsen noch immer eng verbunden, Prof. Dr. Dieter Rost, 12 Jahre im Präsidium des LJVSN, JV Sächsische Schweiz, Jäger Lothar Klose, Radeberg (JV Dresden),sowie weitere Naturfreunde aus Cottbus und dem Spreewald.

Vom „Anschuss“ in Preilack über viele Zwischenstationen, die Oder und die Weichsel überquerend, ging es über das einstige Ostpreußen zum Gebiet (Oblast) Kaliningrad (Königsberg). Unser Ziel: Vergangenheit und Gegenwart entdecken und verstehen lernen. Bevor wir unsere erste Station erreichten, besuchten wir die Marienburg (PL) als eine der mächtigsten Festungen Europas.

Erste Station: Im polnischen Teil des geteilten Ostpreußens führte uns die Nachsuche nach Ketrzyn (Rastenburg). Ab 1941 regierte hier Hitler das Deutsche Reich und die besetzten Gebiete. Von hier aus leitete er den Vernichtungsfeldzug, an dessen Ende auch Ostpreußen verloren war. Oft an seiner Seite der Reichsjägermeister Hermann Göring. Rastenburg war auch der Ort des Attentats von Oberst Graf von Stauffenberg am 20.07.1944 auf Hitler. Seit 1992 erinnert eine an den Grundmauern der Lagebaracke angebrachte Gedenktafel, um dessen Text man 2,5 Jahre Streit führte. Heute ist die Anlage von gesprengten Betonkolossen mit bis zu 4 Metern Wandstärke und teilweise erhaltenen Baracken zur Besichtigung frei. Um das Objekt waren 80845 Minen zu räumen, was vielen russischen und polnischen Soldaten, aber auch Forstleuten das Leben kostete.

Holzschnitzereien mehrerer Wölfe befinden sich am Eingang der Wolfsschanze.

Die Wolfsschanze ist seit 1993 eine GmbH. 80% der Geschäftsanteile besitzt der österreichisch - polnische Süßwarenkonzern Carpatio, 20 % die Gemeinde Rastenburg (für 30 Jahre).

Unsere Nachsuche ging weiter durch das Ermland und die Masuren. Jagdlich interessant: Auf der 4-spurigen Autobahn konnten wir mindestens 20 Wildbrücken zählen, aber wenig jagdliche Einrichtungen an den Bestandsgrenzen. Die Getreideernte vorbei, erblickten wir tausende Hektar Körnermais und eine ausgiebige landwirtschaftliche Nutzung u. a. mit Zwiebeln und Zuckerrüben. Auch der Weihnachtsbaumschnitt hatte auf großen Flächen bereits begonnen. Sie werden in Kühlhallen gebunkert. In landschaftlich reizvoller Lage sind viele neue Wohnhäuser entstanden, ein immenser Bauboom auf dem polnischen Lande.

Weitere Objekte der grünen Nachsuche nun im russischen Teil des ehemaligen Ostpreußens (Visa erforderlich und Sondererlaubnis für militärisch genutzte Teile der Rominter Heide).

Zweite Station: Der Oberländer Kanal (1844 – 1860 errichtet)

Baumeister waren die Ostpreußen Ingenieur Seferin aus Königsberg und Ingenieur Streenke. Einmalig: Schiffe überwinden in diesem Kanal einen Höhenunterschied von 99,5 m in 5 Stationen. Vorbildlich unterhalten – in einer Länge von 82,5 Kilometern. Früher zogen 45 Ochsen ein Schiff. Fischtreppen garantieren den Schutz von Fischen und Lurchen. Jährlich befahren ca. 30 000 Passagiere dieses landschaftlich schöne Gebiet, oft sind es 57 Schiffe an einem Tag.

Dritte Station: Forsthaus Warnen (ehemals Forsthaus Barckhausen)

Zwei Nächte im ehemaligen Forsthaus von Dr. Barckhausen. Wir gedachten hier unseres früheren russischen Begleiters und profunden Jägers Sergej Sebrjakow, der leider zu früh verstarb und für dessen Gedenktafel am hiesigen Erinnerungsstein auch die sächsischen Jäger einen Beitrag leisteten. Unser jetziger russischer Begleiter Oberstleutnant d. R. Sergej Rowowitsch, langjähriger Direktor für Natur- und Artenschutz der Rominter Heide, führte uns zu vielen sonst kaum erlebbaren Sehenswürdigkeiten, auch aus der Kaiserzeit. Als Jahrzehnte langer Jäger ist ihm die Jagd in Deutschland bekannt, die Jagd in Russland ist völlig anders geartet. Jagdlizenzen sind oft nur mit einem gehörigen Schuss „Vitamin B“ zu erhalten. Forstämter, wie in Deutschland, gibt es nicht. Der Wald befindet sich in kommunalem oder staatlichem Besitz. Sergej studierte in Jena Germanistik und ist heute noch Dolmetscher in der Russischen Armee.

Auch den Wystitter See (2400 km²) hatte er im Programm, ebenso die stark gesicherte Grenze in der Rominter Heide zu Polen. Der begonnene Wiederaufbau des Reichsjägerhofes wurde aus politischen Gründen abgebrochen. Zum Wild: Der Rotwildbestand der Rominter Heide – nur noch ca. 300 Stück Kahlwild und 16 Hirsche. Damit ist kaum ein Brunftgeschehen vorhanden. Elche sind zur Seltenheit geworden, zur Problemtierart entwickelt sich der stark zugenommene Bestand an Bibern, die selbst ihre Burgen in ruhenden Gewässern bauen. Das Forsthaus von Ofm. Frevert war im Anblick. Sanierungsbedürftig, aber im machbaren Zustand.

Vierte Station: Der Nationalpark „Kurische Nehrung“

Man spricht von drei Weltwundern in Ostpreußen: Die Wanderdünen der Kurischen Nehrung, die Marienburg auf polnischem Gebiet und den Oberländer Kanal. Eine schmale Landzunge zwischen Meer und Haff ist die Heimat einer großen Vielfalt verschiedenartiger, veränderlicher und sensibler Ökosysteme. Sandstrände, Kiefern –, Fichten- und Lärchenwälder, Sümpfe, Heide und weiße Dünen (Höhe bis 67 Meter) kennzeichnen das Land. Starker Bestand an Schwarzwild. Über die Kurische Nehrung führt die Weißmeer – Baltik- Route der Zugvögel und die alte Poststraße, die Jahrhunderte Europa und Russland verband. In der Vogelberingungsstation von Rositten in Fringilla („Buchfink“) erläuterten uns kompetente Ornithologen ihre Arbeit, wobei ihnen oft deutsche Grünröcke helfen. Sie verbringen hier einen Teil ihres Jahresurlaubes. Heiko Schoene übersetzte die englische Version des Vortrages. Mehr als 184 Arten von Vögeln werden hier gefangen, gewogen, vermessen, beringt und dokumentiert, danach wieder in die Freiheit entlassen. Mehr als 10000 pro Jahr. Eine für Jäger nicht uninteressante Arbeit, aber auch ein großartiges Forschungsprojekt der Akademie der Wissenschaften Russlands, das 1901 begonnen wurde.

Fünfte Station: Tanzender Wald

Die Nachsuche führte auf einem Wanderweg zu einem ungewöhnlichen Kiefernwald, der Anfang der neunziger Jahre auf der Düne „Runder Berg“ gepflanzt wurde. Er hat sich bis heute zu gewundenen, zu Ringen verdrehten Bäumen, den tanzenden Bäumen entwickelt.

Von 1921 – 1945 befand sich hier eine deutsche Segelflugschule von internationalem Rang. In einem Ferienobjekt mitten im Wald kann man noch einen Schulgleiter (ähnlich dem SG der GST in der ehemaligen DDR) besichtigen. Vor diesem Haus ebenfalls ein Bronzeelch. Am Straßenrand nahmen wir eine Auszeit, wobei uns ein mongolischer Imbissinhaber vorzüglich bewirtete.

Sechste Station: Mit dem Blick auf weitere Objekte,

die ebenfalls von forstlichem, biologischem und jagdlichem Interesse waren: Das ehemalige Forstamt Neusternburg (heute Hotel „Haus Ostpreußen“), der Friedrichsgraben, die Gilge (leider Hochwasser führend), Nitten, Rauschen, Insterburg, Georgenburg und Pillau mit seinem Marinehafen. Das Denkmal von Königin Elisabeth beeindruckte uns in seiner Bauweise. Im weiteren Verlauf der Nachsuche begrüßte uns in Tilsit der Elch im Zentrum der Stadt und die Hochwasser führende Memel. Der Ostsseekurort Cranz hat sich mit attraktiven Bauten zu einem Touristenzentrum entwickelt, der wie zu deutschen Zeiten bald durch eine Schnellbahn von Kaliningrad erreichbar sein wird.

Siebente Station: Bernsteintagebau

Ein Wegweiser weist von diesem Tagebau die Entfernungen aus, Berlin 662 km, St. Petersburg 1008 km, Moskau 1306 km – selbst für eine grüne Nachsuche nicht zu erlaufen. Die Betriebsstätte wurde in den letzten zwei Jahren völlig rekonstruiert. Die heutige Fördermenge des Bernsteins beträgt 400 Tonnen /Jahr. Das sind 25 % der Weltproduktion. 1,5 Tonnen blaue Erde, so nennt man den Schlamm, beinhalten ca. 2 kg Bernstein. Oft mit Insekten versehen ist er besonders wertvoll. Vor dreihundert Jahren begann diese Grube als Grube „Gute Anne“ zu arbeiten. Besonders eindrucksvoll war die Ausstellung edlen Schmucks aus Bernstein. Kleinere Geschenke werden sicherlich auch die Jägerfrauen erfreuen.

Achte Station: Deutsche Schule Trakehnen und ehemaliges Gestüt.

Am Eingang nach dem großen Torbogen neben dem Landstallmeisterhaus begrüßt uns der am 29.09.2013 als Denkmal wieder aufgestellte Spitzenhengst „Tempelhüter“ , dem mehrere Generationen edler Pferde ihre Abstammung verdanken. Eine einzigartige Pferdezucht, die wir auf einem Film im Museum bewundern konnten und der auch der Zweite Weltkrieg ein Ende setzte. In der deutschen Schule in der „Agnes- Miegel-Siedlung“ empfingen uns Kinder in ostpreußischen Trachten, die Jungen in Kniebundhosen mit gestrickten Kniestrümpfen, darauf eine Elchschaufel. Ein ansprechendes Programm in deutscher Sprache. Der bewegende Auftritt der „Sonnenstrahlen“ hat uns sehr berührt und wir werden die Kinder 2018 in Deutschland begrüßen.

Neunte Station: Kaliningrad (Königsberg)

Im Kaliningrader Oblast ist die wirtschaftliche Entwicklung vorangeschritten. 95% Selbstversorgung, als Antwort auf die Liefersanktionen, neue Arbeitsplätze geschaffen, enormer Straßenbau, im Oblast Kaliningrad keine Arbeitslosigkeit, Aufschwung in der Landwirtschaft Kaliningrads. Rund um Kaliningrad ca. 20 000 Angustiner Rinder, der AG der Familie Medwedjew, halten die Flächen sauber und liefern Milch und Fleisch, der doppelte Bestand seit 2015. Ein Beispiel von vielen, es wird bereits exportiert.

Eine immer modernere Stadt, zu der es zu deutschen Städten kaum noch Unterschiede gibt, 35 Nationen leben hier friedlich nebeneinander. Ein Besuch des Königsberger Domes und der Grabstätte von Immanuel Kant war für uns selbstverständlich. Eine Stadt und ein Land, das uns im Atem hielt. Wir trafen auch Bürger der BRD, die hier zwischenzeitlich ihren Wohnsitz haben. Für Ostpreußen zuversichtlich. Wir erlebten bei unserer Nachsuche auch den Erhalt von Geschichtsträchtigem: Eichenalleen, oft mehr als hundert Jahre alt, säumen noch immer die Straßen Ostpreußens und erfreuen nicht nur den Weidmann. Ein russisches Programm stoppt das Abholzen von Straßenbäumen – setzt Grenzen – gut so.

Gerade entsteht in Kaliningrad ein neues Stadion für die Fußball-WM 2018 gekoppelt mit einem Sanierungsprogramm und einer großen Zahl von Neubauten, rund um die Stadt, die sauber in die Natur eingeordnet werden. Aber wir blickten auch zurück: Die Geschehnisse um Königsberg 1945 konnten wir im Bunker von General Otto Lasch nachvollziehen. Ein Auftrag auch an unsere Jäger: Verhindern wir dies in Zukunft für immer. Generalleutnant Dr. Uhle –Wettler formulierte wie folgt: „Mit der Auflösung des Staates Preußen 1947 durch die Siegermächte seien weder der Mythos noch die Idee des Preußentums tot. Es liegt an jedem selbst, diese Idee am Leben zu erhalten“. Unser Nachsuchenteam erlebte es vor Ort und sieht für die Entwicklung Ostpreußens große Wachstumschancen.

„Weidmannsheil“ und „Weidmannsdank“ an Roland, Tatjana und Sergej, aber auch an alle anderen, die uns herrliche in bleibender Erinnerung stehende „Jagdtage ohne Waffe“ gestalteten und die Nachsuche erfolgreich machten.

 

Prof. Dr. Dieter Rost